Mit der Senioren-Union 6 Tage in Hamburg
Von der Karl-Arnold-Stiftung war als Thema vorgegeben: “Hamburg, Politik und Wirtschaft in der prosperierenden Hansestadt”.
Sonntag, 1. Juli
Schon der Anfang war erfreulich: endlich schönes Wetter mit günstiger Vorhersage für die ganze Woche!
Und zweitens: Unsere Leiterin war Frau Dr. Skowronski-Fries, wohlbekannt von unseren Fahrten nach Dresden-Leipzig und München, von allen hochgeschätzt. Bei der Begrüßung bat sie uns, die komplizierte Anrede auf “Frau Fries” zu reduzieren.
Aus der Senioren-Union hatte Herr Schürmann die Leitung. Wir erfuhren, dass es lange fraglich war, ob die vorgeschriebene Mindestzahl von 20 überhaupt erreicht würde. Wir sind ja meist nach Süden orientiert, da ist Hamburg nicht gerade das ersehnte Reiseziel für ein 5-tägiges “Seminar für politisch Interessierte”. Und doch waren wir 23 Teilnehmer, alle miteinander bekannt und angetan von der Erwartung, die nächsten Tage gemeinsam zu erleben.
Unser Busfahrer Frank steuerte den geräumigen Bus zu jeder Zeit an jedem Platz absolut sicher.
Durch Staus nicht übermäßig behindert, erreichten wir mit einiger Verspätung das ehemalige Konzentrationslager Neuengamme 30 km südlich von Hamburg. Es wurde nach dem Krieg als Haftanstalt benutzt, so dass vom KZ selbst fast nichts mehr vorhanden ist.
Neuengamme war kein Vernichtungslager, dennoch kamen über 40.000 Menschen um durch Hunger, durch unerträgliche Arbeitsbedingungen, durch Krankheiten und durch Gas, mit dem 1.000 russische Gefangene ermordet wurden. Tief betroffen waren wir, als von den 20 Kindern berichtet wurde, die, zu medizinischen Zwecken missbraucht und misshandelt, vor dem Eintreffen der englischen Truppen grausam erhängt wurden.
Besonders tragisch waren die Ereignisse in den letzten Wochen vor Kriegsende: Die SS zwang die entkräfteten Häftlinge in Gewaltmärschen weg von den vorrückenden Engländern. In der Lübecker Bucht wurden sie auf dem ehemaligen Passagierdampfer Arcona und zwei kleineren Schiffen gefangen gehalten und dann geschah das Entsetzliche: Britische Bomber griffen die vor Anker liegenden Schiffe an, allein auf der Cap Arcona starben 7.000 Häftlinge, 5 Tage vor Kriegsende!
Gegen 18 Uhr kamen wir an unserem Hotel an, in Ohlsdorf, im Norden Hamburgs. Alles war zufrieden stellend. Der Clou war: Keine 50 m entfernt war der Eingang von U-Bahn und S-Bahn, mit denen man in 20 Minuten den Jungfernstieg in der Stadtmitte erreichte.
Übrigens: Zu Mittag wurde nie im Hotel, sondern in verschiedenen Restaurants in der Stadt – gut – gegessen.
Montag, 2. Juli
Um 9 Uhr Beginn der Stadtrundfahrt mit dem Thema: “Hamburg in Geschichte und Gegenwart”.
Auf der Anfahrt führte der Referent Herr Feige in die Geschichte der Stadt ein.
Hamburg ist mit 1,8 Millionen Einwohnern die zweitgrößte Stadt der Bundesrepublik. Der offizielle Name von Stadt und Bundesland ist: “Freie und Hansestadt Hamburg”. Regiert wird Hamburg zurzeit – wie meistens nach dem Krieg – von der SPD mit Olaf Scholz als 1. Bürgermeister.
Die Anfänge der Siedlung mit Namen “Hammaburg” liegen in der frühen Karolingerzeit. Schon 832 wird der Ort zum Erzbistum erhoben. In der Folgezeit, obwohl mehrmals von Dänen und Slawen überfallen, gedeiht die Stadt zusehends dank der günstigen Lage und einer unternehmerischen Kaufmannschaft.
Ähnlich wie Köln erstreitet sich die Bürgerschaft Unabhängigkeit von kirchlicher und fürstlicher Herrschaft. Hamburg wird neben Lübeck zur bedeutendsten Stadt der Hanse. Sie erwehrt sich der Piraterie, nimmt Klaus Störtebeker gefangen und lässt ihn mit 73 Gefährten hinrichten.
1510 bestätigt der Reichstag Hamburg als reichsfreie Stadt, die nur dem Kaiser unterstellt ist. Wenig später wird von der “Bürgerschaft” offiziell die Reformation eingeführt. Im Besitz der Zollfreiheit ist die Kaufmannschaft überaus erfolgreich, sie eröffnet die erste Börse in Deutschland und betreibt schon im 17. Jahrhundert mit eigenen Schiffen einen lukrativen Walfang. In dieser Zeit hat Hamburg schon 60.000 Einwohner.
1842 kommt es zu der großen Brandkatastrophe, der ein Großteil der Innenstadt zum Opfer fällt. Es waren vor allem die Stadtteile, in denen die ärmere Bevölkerung in überfüllten Häusern mit verwinkelten Gassen wohnte.
Der “Wieder-Aufbau” dieser Stadtteile war ein “Neu-Bau”: In jahrzehntelanger Arbeit wurden aus den heruntergekommenen Wohngegenden bürgerliche Wohnviertel mit geordnetem Straßensystem. Bei der Durchsetzung der baulichen Neuordnung der Stadt ging die “Bürgerschaft” ziemlich rigoros vor. Kritiker sprachen bald von der Freien und “Abrissstadt” Hamburg.
Besondere Verdienste bei der Neustrukturierung der Stadt muss sich der Architekt und Baubeauftragte der Stadt Fritz Schuhmacher erworben haben. Auf der Fahrt zur Stadtmitte wies Herr Feige auf eine ganze Reihe von Gebäuden, Plätzen und Straßenführungen hin, die diesem Architekten und Stadtplaner zu verdanken seien.
So weit der Exkurs des Referenten zur hamburgischen Geschichte.
Inzwischen waren wir an der Außen-Alster vorbei am Ballin-Damm angekommen mit seinen imposanten Gebäuden und großen Hotels.
Wir standen am Jungfernstieg, dem Namen nach früher der Heiratsmarkt, vor uns die Binnen-Alster.
Was für ein Anblick in der morgendlichen Sonne! Fast mitten in der Stadt der See, die Gebäude hinter uns, siebenstöckig in hellem Naturstein, durch keine billige Reklame gestört, alles strahlt Gediegenheit aus mit einer gewissen Vornehmheit und Eleganz, schon mehr weltstädtisch als bloß großstädtisch.
Eine gekippte Eistüte, dazu in Gelb wie in Köln, unmöglich!!
Hinter uns der große Rathausplatz mit dem imposanten Rathaus. Durch eine schon um 1850 in englischem Stil errichtete Passage gelangen wir zum Rathausplatz. Hamburg hat mehr Einkaufspassagen als jede andere Stadt in Europa. Weiter geht es zur Mönckebergstraße mit den größten Kaufhäusern der Stadt und Geschäften für “gehobene Ansprüche”.
An St. Petri, der ältesten Kirche Hamburgs vorbei, gelangen wir zum Domplatz, auf dem bis Anfang des 19. Jahrhunderts der Mariendom stand. Den Standort der Pfeiler hat man auf der Rasenfläche mit quadratischen Podesten gekennzeichnet. Sie sind von innen beleuchtet und dienen als Sitzplätze. Dahinter das mächtige Gebäude des Zeitschriftenverlages “Die Zeit” (Helmut Schmidt lässt grüßen). Erstaunlich ist, wie klein die fast kreisförmige Fläche der Innenstadt ist, wenig länger als 1 km Durchmesser.
Nachmittags waren wir im Rathaus, es ist inzwischen der 6. Bau, der vorige war 1842 abgebrannt, dieser hat sogar die “Operation Gomorrha” überstanden. Es ist nach 1890, auf eingerammten Eichenpfählen ruhend, im Neo-Re-naissance-Stil erbaut worden. Hier residiert der 1. Bürgermeister mit dem Senat, und hier tagt die “Bürgerschaft”, das Landesparlament. Der imposante Bau hat die unglaubliche Zahl von 647 Räumen. Der Festsaal – 47 x 18 x 15 m – beeindruckt durch seine Größe – weniger durch 5 riesige Wandgemälde mit Darstellungen aus der Stadtgeschichte.
Aufschlussreich für das Selbstverständnis der “Bürgerschaft” ist der Fassadenschmuck mit den Köpfen von 20 deutschen Königen und Kaisern, über diesen thronen die bürgerlichen Tugenden, soll heißen: Hamburg ist mehr noch als eine Kaiserstadt, es ist eine Bürgerstadt!
Anschließend traf sich unsere Gruppe im Rathaus mit Herrn Gladiator, einem jungen CDU-Abgeordneten aus der “Bürgerschaft”, der über die gegenwärtige politische Situation in Hamburg – nach dem Absturz der CDU von 56 Abgeordneten auf die Hälfte, auf 28 – berichtete. Er nannte Gründe für die Niederlage und stellte, auf Anfrage, Überlegungen an für einen neuen Aufstieg der Partei, der aber angesichts der starken SPD-Stammwählerschaft sehr schwierig werden dürfte. Wir erfuhren einiges über das Wahlrecht, das jedem Bürger 5 Stimmen einräumt, die er kumulieren darf, und dass der Abgeordnete sein Mandat eigentlich nebenberuflich ausübt, gestützt durch eine eher bescheidene Aufwandsentschädigung.
In den 1 ½ Stunden mit Herrn Gladiator zeigte sich, dass er es – wie auf dem Programm angekündigt – wirklich mit “politisch interessierten Bürgern” zu tun hatte, die mit einer Fülle von Fragen und Beiträgen die Zeit für Diskussionen knapp werden ließen, wie überhaupt bei allen Vorträgen an Nachfragen und Diskussionen kein Mangel war.
Der Dienstagmorgen (3. Juli)
hatte zum Thema: “Das Meer schlägt zurück …” Von allen Programmpunkten war dieser wohl am wichtigsten und informativsten. Herr Müller, ein ausgezeichneter Referent, zeigte uns zunächst am Modell, mit welchen Maßnahmen nach der Sturmflut von 1962, bei der über 300 Menschen starben, die Sicherung des Stadtgebietes – unter Aufbringung von Milliardenbeträgen – bewerkstelligt wurde.
Die neue Hochwasserschutzlinie verläuft größtenteils vor den alten Deichen. Die neuen Deiche sind anders konstruiert. Es sind breit angelegte Erddeiche, die geeignet sind die Wucht der Wassermassen besser abzufangen und zu neutralisieren. Die Gesamtlänge der Deiche beträgt 79 km. Wo der Platz für diese Art Deiche nicht ausreicht, so in der Innenstadt, sind Hochwasserschutzwände errichtet. Der “Bemessungswasserstand” liegt heute bei 7,30 Meter über NN. Große Schwierigkeiten bereiten die Stellen, an denen Verkehrswege und Gewässer die Hauptdeichlinie kreuzen. Hier erfolgt die Sicherung durch Schleusen und Tore, die bei Hochwassergefahr geschlossen werden. Ein solches Tor mit elektrischem Antrieb wurde uns an einer Brücke gezeigt.
Herr Müller gab auch erste Informationen über die Hafen-City, die – vor dem Deich und tiefer liegend – durch ganz andere Maßnahmen vor der großen Flut geschützt wird.
Der Bus brachte uns zu den Landungsbrücken, Ziel der “Alte Elbtunnel”. Er wurde vor über 100 Jahren gebaut zu dem Zweck, dass die Hafenarbeiter, die zu Tausenden auf der anderen Elbseite ihren Arbeitsplatz hatten, nicht mehr auf die Fähren angewiesen waren. Nach 130 Stufen hatten wir den Eingang des Tunnels erricht, es ist ein etwas sonderbares Gefühl, 20 m über sich die Wassermassen der Elbe zu wissen. Der Tunnel ist 450 m lang, nur etwa 5m breit, in der Mitte hat er eine Fahrspur in der Breite für einen PKW, an beiden Seiten schmale Steige für Radfahrer und Fußgänger.
Den “Aufstieg” besorgte der großflächige Auto-Lift.
Es schloss sich eine Führung durch das Dokumentationszentrum “Gedenkstätte für die Opfer von Krieg und Verfolgung 1933 – 1945” auf dem Gelände der zerstörten und nicht wiederaufgebauten Nikolaikirche an. Sie war einst Hauptkirche von Hamburg, fiel 1842 der Brandkatastophe zum Opfer und wurde in Neugotik wieder aufgebaut. Ihr Turm war nach dem Ulmer Münster und dem Kölner Dom der höchste in Deutschland, er allein hat die “Operation Gomorrha” vom 3. Juli 1943 überstanden. Er ist heute ein Mahnmal und dient als Aussichtsturm. Vom Lift auf 79 m Höhe gebracht, hatten wir einen Rundblick über die Stadt.
Die Führung durch die Gedenkstätte blieb m.E. hinter unseren Erwartungen zurück. Sie beschränkte sich zu sehr auf die bloße Mitteilung von Fakten.
Der Nachmittag stand unter dem Thema “Hamburg im 20. Jahrhundert, Führung durch die Ausstellung im Hamburg-Museum”. Umfassender geht es kaum!
Aus der Fülle interessanter Informationen ist am ehesten der Bereich “Entwicklung des Wirtschaftsstandortes Hamburg” in Erinnerung geblieben. Davon taucht der eine oder andere Aspekt auch in anderen Programmpunkten auf.
Nach zwei Stunden Hamburg-Museum sah unser Programm von 17.30 Uhr bis 19 Uhr eine “zusammenfassende und vertiefende Betrachtung …” vor. Frau Fries war klug genug, dieses Vorhaben ersatzlos fallen zu lassen. Untereinander wurde auch ohne Anleitung genug über die Themen gesprochen.
Am Mittwochvormittag (4. Juli)
ging es nochmal in ein Museum, ins “Museum der Arbeit”. Wir waren von diesem Besuch auch durch die nette Art des Referenten, Herrn Schreiber, sehr angetan.
Schon die Zufahrt war interessant: Das schwere Eisengittertor musste ein wenig weiter zurückgeschoben werden, damit der Bus durchfahren konnte. Frau Fries, die schon vorher ausgestiegen war, sah das Hindernis und handelte sofort: Bis zur Schräglage stemmte sich die zierliche Person gegen das Eisentor und drückte es zentimeterweise zurück. Leider ist kein Foto gemacht worden, es wäre symbolisch zu deuten, dass Frau Fries sich mit ganzem Einsatz bemüht, Hindernisse vor unserer Gruppe aus dem Wege zu räumen.
Was den Hof unübersehbar bestimmte, war eine gewaltige, stählerne, massive Rundscheibe von 14 Metern Durchmesser, der Bohrkopf, mit dem der neue Elbtunnel aufgebohrt wurde. Wir befanden uns auf dem Gelände einer sog. “Hinterhoffabrik” aus der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts. Das waren meist Familienbetriebe, die sich hinter dem Wohnhaus in den Hof und den Garten ausdehnten. Meist hatten sie um die 20 bis 30 Arbeiter. Hier handelte es sich um eine ehemalige Gummifabrik, die Kautschuk aus Brasilien verarbeitete. Die überseeischen Verbindungen Hamburgs kamen diesem Fabrikzweig zugute. Der Maschinenantrieb erfolgte schon mit Elektromotoren. Anschließend haben wir die Werkstatt einer ehemaligen Metallwarenfabrik besichtigt, die Orden, Broschen und Ähnliches herstellte. Männer und Frauen verrichteten – auch räumlich getrennt – unterschiedliche Arbeiten. Der Maschinenantrieb erfolgte über eine Transmission mit Elektromotor.
Sehr anschaulich und gründlich erklärte Herr Schreiber die Entwicklung des Buchdrucks von der Holzpresse bis zur Rotationsmaschine und die Arbeit des Setzers, die schließlich von der Maschine übernommen wurde. Zu besichtigen war auch ein Originalkontor als Schaltstelle zu den überseeischen Besitzungen aus der Wende zum 19. Jahrhundert.
Was Herr Schreiber sonst noch anschaulich erklärte, z.B. Einblicke in das Arbeitsleben, die Technisierung der Arbeit bis hin zum Computer, war interessant, wenn auch nichts “typisch Hamburgisches”.
Nach dem Mittagessen war frei, stand uns Hamburg offen.
Am späten Abend im Gartencafé des Hotels hörte man einiges von dem, was alles unternommen worden war.
Einige waren im Musical “König der Löwen” gewesen und fanden die Aufführung hinreißend; andere hatten auf der Reeperbahn das Einmannstück “Caveman” besucht, 1 ½ Stunden glänzende Unterhaltung von Kristian Bader. Wenige hatten St. Michael ausgelassen, den “Michel”, Hamburgs Wahrzeichen, die “schönste Barockkirche Norddeutschlands”; faszinierend die freitragende Decke und die weit geschwungenen Emporen. Eine Fahrt nach Blankenese zur “Perle an der Unterelbe”, wo die Prominenz residiert, gab der Fahrplan nicht her, in Finkenwerder war Endstation.
Donnerstag (5. Juli), letzter Tag in Hamburg
Vormittags die große Hafenrundfahrt in einer eigens angemieteten Barkasse. Leider war es ziemlich windig, der Himmel bedeckt. Die Fahrt stand unter dem Thema: “Der Hafen, Hamburgs wirtschaftliche Lebensader”. Diese These belegte unser “Schiffsführer” mit eindrucksvollen Fakten:
Die Hafenfläche umfasst 88 km², Jahresumschlag 120 Millionen Tonnen, jährlich von etwa 10.000 Schiffen angelaufen. Mit 155.000 Beschäftigten ist er der größte Arbeitgeber der Stadt. Deswegen könne man ohne große Übertreibung sagen: Hamburg war und Hamburg ist der Hafen, und er ist die Quelle des Reichtums der Stadt.
Wir passierten die “Speicherstadt”, die der Senat um 1890 hat errichten lassen, wobei fast 20.000 Bewohner, meist Hafenarbeiterfamilien, umgesiedelt wurden. Wenn es um wirtschaftliche Interessen ging – die Zugehörigkeit zur zollfreien Zone stand auf dem Spiel – handelte der Senat rigoros und scheute keine Kosten. Auf Tausenden von Eichenpfählen wurden die 17 sieben- bis achtstöckigen Lagerhäuser errichtet, 333.000 m² Lagerfläche standen für die Waren aus aller Welt zur Verfügung, damals der größte zusammenhängende Lagerkomplex der Welt.
Heute steht die in Backsteingotik errichtete “Speicherstadt” unter Denkmalschutz, in ihr sind Museen und Ausstelllungen untergebracht, so auch das “Miniatur-Wunderland”, die größte Modelleisenbahn der Welt mit 12 km Gleislänge und über 800 von Computern gesteuerten Zügen.
Seitlich vor uns die “Elphi”, die Elbphilharmonie, eine hochmoderne, überaus beeindruckende Glaskonstruktion mit 110 m Höhe, errichtet auf einem massiven ehemaligen Kaispeicher. Außer den zwei großen Konzertsälen bietet das Konzerthaus Platz für 45 Wohnungen und ein 5-Sterne-Hotel. “Elphi” soll zu einem “spektakulären Wahrzeichen” Hamburgs werden. Spektakulär ist es heute schon: Die ursprünglich veranschlagten Kosten haben sich fast verdreifacht, und der Einweihungstermin musste schon mehrmals verschoben werden, neuerdings auf 2015.
Wir fahren an der Hafenstraße vorbei, die in den 80er Jahren so viel Furore gemacht hatte. Heute begnügt sich die autonome Szene, nachdem ihre Besetzung durch einen günstigen Pachtvertrag der Stadt legalisiert worden ist, mit langen Spruchbändern an den Fassaden.
Vorbei an Hamburgs riesigem Klärwerk, das täglich 30.000 m³ Abwässer reinigt, was durch den doppeldeutigen Slogan gewürdigt wird: “Wer Wasser aus der Elbe trinkt, wird nicht alt.”
Auf der Rückfahrt passierten wir den Containerhafen. Vor Anker lag ein riesiges chinesisches Containerschiff, 370 m lang, mit einer Ladekapazität von – wenn ich das richtig gehört habe – 14.000 Containern, neun Stapelflächen unter Deck, 10 auf dem Deck; und dieses Riesenunternehmen wird bewältigt von gerade mal 25 Mann Besatzung.
Große Passagierschiffe waren leider nicht zu sehen. Die beiden “Queen-Schiffe” sind leider erst für nächste Woche angemeldet.
Am Donnerstagnachmittag am Ende unseres Hamburg-Seminars stand das Paradestück des “Hamburger Aufbruchs ins 21. Jahrhundert”, die “HafenCity”. Vorbildlich von einer jungen Dame unterrichtet und geführt, lernten wir dieses z.T. schon verwirklichte großartige Vorhaben kennen.
Nach dem sog. Masterplan von 2000 wird die Kernstadt um 157 ha, also um ein Drittel der Innenstadt erweitert. Die HafenCity soll “Arbeiten und Wohnen” verbinden. Sie ist ausgelegt für 45.000 Arbeitsplätze und für 6.000 Wohnungen, ein Terrain, das alle Möglichkeiten eines normalen, modernen städtischen Lebens bietet. Durch eine U-Bahn mit 2 Stationen ist sie eng mit der Innenstadt verbunden.
Die Besonderheit der HafenCity ist: Sie entsteht im tiefer gelegenen Hafengebiet, sie ist nicht durch Deiche geschützt – und dennoch sturmflutsicher. Die Lösungen sind Warften: Alle Gebäude, Straßen und Promenaden stehen auf diesen fundierten Geländeerhöhungen.
Die Gesamtanlage besteht aus drei Ebenen. Die unterste ist begehbar und nutzbar auf weitläufigen Pontons, die sich mit den Tiden heben und senken; die mittlere Ebene, auf der sich in Straßencafés, auf Promenaden und Grünflächen das öffentliche Leben abspielt ist bis zur Höhe von etwa 5 m über Normalnull gesichert. Die oberste Ebene mit den Wohnungen und Arbeitsplätzen, also dem eigentlichen Hauptteil der Bauten, liegt mit 7,5 m oberhalb jeder bisher erfahrenen Sturmflut. Alle Gebäude sind in dieser Höhe mit Wegen und Zugängen verbunden, so dass selbst bei Extrem-Hochwasser das Leben nach menschlichem Ermessen normal weitergehen kann.
Die Baugrundstücke werden von der Stadt nicht meistbietend, sondern nach einem Festpreis verkauft. Den Zuschlag bekommt, dessen Planung den gestellten Bedingungen einschließlich der äußeren Gebäudegestaltung am besten entspricht.
Wie wird dieses gewaltige Vorhaben finanziert? Geschätzte Gesamtkosten: 10,4 Milliarden Euro, davon sind 8 Milliarden von den privaten Bauherren aufzubringen, die restlichen 2,4 Milliarden bleiben bei der Stadt, die aber durch den Verkauf der Grundstücke die Kosten tragen kann.
Wir befanden uns auf dem schon fertig gestellten Stadtteil “Am Sandtor-Kai”. Die Eleganz der Bauten beeindruckte ebenso wie die Kühnheit des Vorhabens; allein schon durch die Neuheit wirkte die Anlage gepflegt, aber nicht steril. Sie ist “normal” bewohnt. So wird eine Grundschule von 300 Kindern besucht. Der Schulhof befindet sich kurioserweise auf dem Dach des Hochhauskomplexes.
Unser Besichtigungsgang begann auf der unteren Ebene, die zunächst gar nicht als Ponton zu erkennen war. Über Terrassen, vorbei an Straßencafés und über kleine Plätze und grüne Streifen kamen wir zu der Großbaustelle am “Magdeburger Hafen” mit dem Blick zum Rathaus, zur Speicherstadt und zur Elbphilharmonie.
Der offizielle Abschluss des Seminars sollte eine Auswertung sein, von 18 bis 19.30 Uhr. Frau Dr. Skowronski-Fries hat dankenswerter Weise auf diese schulische Abendveranstaltung verzichtet zu Gunsten eines jedem selbst überlassenen Abschiedsabends von Hamburg.
Rudi Linse.